Meldungen aus dem Landesverband Bremen
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Völkerverständigung und Jugendarbeit in Cannock Chase - Kriegsgräberstätte in England spielt besondere Rolle für den Volksbund

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge  betreut weltweit 832 Kriegsgräberstätten in 46 Staaten. Im Folgenden möchten wir Ihnen die Kriegsgräberstätte Cannock Chase in England näher bringen und aufzeigen, was das Besondere an ihr ist. Der Landesverband Bremen hat die Patenschaft übernommen.

Die Kriegsgräberstätte Cannock Chase liegt in der Grafschaft Staffordshire in der Region Midlands und somit mitten in England. Es handelt sich um die zentrale Deutsche Kriegsgräberstätte in Großbritannien und abgesehen von einigen kleineren Stätten auch um die Einzige.

Bis heute fanden 4.940 deutsche Kriegstote dort ihre letzte Ruhestätte. Bei den 2.143 Toten des Ersten Weltkrieges und 2.797 Toten des Zweiten Weltkrieges handelt es sich zumeist um in Großbritannien inhaftierte Kriegsgefangene, über England abgeschossene Flugzeug- beziehungsweise Luftschiffbesatzungen des Ersten Weltkrieges und um an den britischen Küsten angespülte Kriegstote. Es sind aber auch Frauen, die zum Beispiel im Sanitätsdienst eingesetzt waren und im Dienst ihr Leben verloren.

Heute hat die Kriegsgräberstätte einen parkähnlichen Charakter und ist vor allem von üppiger Heidelandschaft geprägt. Sie ist ein erstes Indiz für die enge Verbindung des Landesverbandes Bremen zur Kriegsgräberstätte Cannock Chase. So sind die Heidelandschaften in Cannock Chase für Besucher aus Bremen ein vertrautes Bild, das sie aus dem Bremer Umland gut kennen. Dies ist übrigens einer der Gründe, warum der Landesverband die Patenschaft für die Kriegsgräberstätte übernommen hat, aber dazu später mehr.

Die Entstehung der Kriegsgräberstätte geht zurück auf das Jahr 1959, als die britische Regierung Gespräche über die Schaffung einer deutschen Kriegsgräberstätte auf britischem Boden mit der deutschen Regierung aufnahm. Zu dieser Zeit war dies ein beachtliches Zeichen der Versöhnung und Verständigung zwischen den ehemaligen Kriegsgegnern und keinesfalls selbstverständlich. Das Gebiet der heutigen Anlage wurde damals in Betracht gezogen, da sich zuvor in unmittelbarer Nähe zwei große Kriegsgefangenenlager für Deutsche befanden.

Es dauerte aber noch bis 1962, als durch die Schenkung des Geländes durch den County Council von Staffordshire an die Bundesrepublik Deutschland eine wichtige Voraussetzung für den Baubeginn geschaffen wurde. Der Volksbund erhielt den Auftrag zum Bau der Kriegsgräberstätte und man begann noch im selben Jahr mit der ihrer Errichtung und den ersten Umbettungen deutscher Kriegstoter aus ganz Großbritannien.

Im Volksbund fiel sehr schnell die Entscheidung, dass die Patenschaft für die Kriegsgräberstätte und die Organisation der Baumaßnahmen dem Landesverband Bremen übertragen werden sollten. Dies lag vor allem auch an dem damaligen Landesgeschäftsführer Siegfried Falke. Im Volksbund wusste man, dass er selbst in Kriegsgefangenschaft in England gewesen war und über gute Verbindungen verfügte.

Außerdem war er bekannt für seine innovativen Ideen und sein Engagement für international ausgerichtete Jugendarbeit. Da die Jugendarbeit zu einem integralen Bestandteil des Aufbaus der Kriegsgräberstätte werden sollte, war dies ein entscheidender Faktor. So wurden die Jugendarbeit und die Verständigung zwischen deutschen und britischen Jugendlichen von Anfang an zu wichtigen Merkmalen der Volksbund-Arbeit auf der Kriegsgräberstätte Cannock Chase.

Auf Initiative des Landesverbandes fanden bereits ab 1962 in den Sommermonaten internationale Workcamps (damals noch Jugendlager) für junge Menschen statt.

Besonders bemerkenswert ist, dass es - vor allem in den Anfangsjahren - nicht in erster Linie um Pflegearbeiten, sondern um harte körperliche Arbeit bei der Errichtung dieser komplett neuen Anlage ging.

Von 1962 bis 1967 packten über 800 Teilnehmende der Workcamps mit an. Besonders die Kooperation des Volksbundes mit der Bremer Sportjugend des Landessportbundes erwies sich bei der Suche nach Teilnehmenden als besonders erfolgreich. Am 10. Juni 1967 wurde die deutschen Kriegsgräberstätte Cannock Chase eingeweiht.

Eine Begebenheit aus der Nacht vor dem Tag der Einweihungszeremonie zeigt ein weiteres Mal die große Bedeutung dieser Kriegsgräberstätte für die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Großbritannien: In einem Akt von Vandalismus hatten Unbekannte in der Nacht vor der Einweihungszeremonie unter anderem eine größere Zahl an Grabsteinen und Stelen mit roter Ölfarbe beschmiert. Am Morgen machten sich die Teilnehmenden des Workcamps mit der Unterstützung einer durch die lokalen Behörden sofort bereitgestellten großen Anzahl an Polizistinnen und Polizisten sofort daran, die Schmierereien zu beseitigen. So ist es in einem gemeinsamen Kraftakt gelungen, bis zur Eröffnungsfeier fast alle Spuren zu entfernen.

Die lokale Presse hatte sehr früh von dem Vandalismus erfahren, sodass bereits am selben Tag darüber berichtet wurde. Die bemerkenswerte Folge der Berichterstattung war, dass am Abend sämtliche Zufahrtsstraßen zur Kriegsgräberstätte von Autos verstopft waren. Die große Masse der einheimischen Bevölkerung war empört über den Vandalismus, wollte das vor Ort zeigen und sich in die Kondolenzbücher der Kriegsgräberstätte eintragen.

Auch vor dem Hintergrund dieser Entstehungsgeschichte wurden die Volksbund-Workcamps in Cannock Chase eine echte Erfolgsgeschichte. Über Jahrzehnte gab es für sie so viele Anmeldungen, dass Auswahlgespräche geführt werden mussten. Und auch heute gibt es bei den weiterhin jährlich stattfindenden Workcamps nie einen Mangel an Interessentinnen und Interessenten.

 Seit über 50 Jahren finden also die Workcamps in Cannock Chase statt. Viele persönliche Freundschaften sind entstanden. Ja sogar Familien wurden gegründet: Beim Workcamp 1976 trafen sich erstmals Doerte und Uwe aus Bremen in Cannock Chase. Inzwischen sind die beiden seit 40 Jahren verheiratet, haben zwei Kinder und sind im Landesverband Bremen nach wie vor ehrenamtlich sehr aktiv. Und da der Apfel ja bekanntlich nicht weit vom Stamm fällt, war auch der Sohn schon zweimal als Teamer beim Workcamp in Cannock Chase dabei. Und bei dieser kleinen Geschichte handelt es sich nicht um einen Einzelfall.

Aber auch die offiziellen Verbindungen zwischen dem Volksbund und den Verantwortlichen des County Council in Staffordshire sind über Jahrzehnte gewachsen und sehr stabil. Zu en Jubiläen waren immer auch prominente Vertreter der Bremer Politik zu Gast in Cannock Chase. Viele Präsidenten der Bremischen Bürgerschaft sowie Senatorinnen und Senatoren aus der Hansestadt haben die Kriegsgräberstätte besucht. Auch die Bremer Bürgermeister Hans Koschnick und Henning Scherf haben schon an Veranstaltungen dort teilgenommen.

Die gleiche Beachtung findet Cannock Chase bis heute bei den offiziellen Vertretern der britischen Seite. Neben der durchgängigen Unterstützung durch die Mitglieder des County Council waren auch immer wieder überregional bekannte Persönlichkeiten auf der deutschen Kriegsgräberstätte zu Gast.

So besuchte - zur besonderen Freude der sportbegeisterten Teilnehmenden aus den Reihen der Bremer Sportjugend - 1965 der britische Fußballstar Sir Stanley Matthews das Workcamp. Matthews war der erste Preisträger des Titels „Europas Fußballer des Jahres“ und mehrfacher Fußballer des Jahres in England. 1977 gab es royalen Besuch, als Prinz Charles die Kriegsgräberstätte besichtigte. Anlässlich des 25-jährigen Bestehens 1987 enthüllte der Herzog von Kent in feierlicher Zeremonie einen Gedenkstein.

Seit fast 60 Jahre besteht die Volksbund-Verbindung nach Cannock Chase nun schon.

Neben den internationalen Workcamps fanden auch Angehörigenreisen statt. Dabei kam den Organisatoren auch immer die intensive Biographiearbeit des Volksbundes zu Gute, auf der Verbindungen zu Angehörigen basieren und die viele emotionale „Geschichten“ aufgedeckt hat.

Inzwischen gab es natürlich auch Ehemaligentreffen der Workcamp Teilnehmenden sowohl in Bremen, als auch bei gemeinsamen Reisen nach England.

Selbstverständlich gab es auch eine Vielzahl von Gegenbesuchen, wenn Vertreter aus Staffordshire nach Bremen kamen. Regelmäßig fanden in der Vergangenheit partnerschaftliche Ausstellungen und Friedenswochen statt – sowohl in Bremen als auch in Stafford.

Natürlich profitierte auch das internationale Workcamp des Volksbundes, das alle zwei Jahre in Bremen stattfindet, von den guten Verbindungen nach England. Regelmäßig sind bei diesem Workcamp auch Teilnehmende aus Staffordshire zu Gast. Diese guten Verbindungen wirken übrigens auch in die Bevölkerung hinein: Sowohl beim Workcamp in Cannock Chase, als auch beim internationalen Camp in Bremen finden regelmäßig Gastfamilientage statt, bei denen die Teilnehmernden einen Tag im Kreis einer gastgebenden Familie verbringen.

Und die Verbindung Volksbund Bremen – Staffordshire trägt weiter Früchte. Die aktuelle Campleitung und eine Teamerin stammen aus dem Jugendarbeitskreis des Landesverbandes. Und auch der Landesvorsitzende, der Geschäftsführer und die Bildungsreferentin aus Bremen lassen es sich in der Regel nicht nehmen, das Workcamp in jedem Jahr zu besuchen und dabei die direkte Verbindung zu den britischen Freundinnen und Freunden zu halten.

Man kann die Verbindung zwischen den Städten Bremen und Stafford heute schon mit einer offiziellen Partnerschaft vergleichen. Dieser Erfolg und seine Bedeutung als Zeichen der Versöhnung und Verständigung zwischen Deutschland und Großbritannien sind sicherlich nur möglich geworden dank der jahrzehntelangen kontinuierlichen und intensiven Arbeit des Volksbund-Landesverbandes Bremen.

2020 musste das Workcamp zum ersten Mal abgesagt werden – die COVID-19-Pandemie machte alle Planungen zunichte. Und so hoffen in Bremen und Staffordshire momentan viele Engagierte im Volksbund und bei seinen Partnerorganisationen, dass die Erfolgsgeschichte 2021 in Cannock Chase wieder weitergeht.

Matthias Sobotta, Landesgeschäftsführer Bremen